Erich-Gutenberg-Berufskolleg als Europaschule rezertifiziert - Erasmus+- Projekt startet

Nach den Sommerferien erreichten gleich zwei sehr erfreuliche Nachrichten das Bünder Erich-Gutenberg-Berufskolleg für Wirtschaft und Verwaltung. Zunächst kam vom Schulministerium die Erlaubnis, dass sich das EGB für weitere fünf Jahre „Europaschule in NRW“ nennen darf. Die Rezertifizierung erkennt an, dass das EGB erfolgreiche Arbeit in Sachen Europa geleistet hat und diese Aktivitäten noch weiter ausbauen wird: So werden den Auszubildenden und Schülerinnen und Schülern fast aller Bildungsgänge die Möglichkeit zu zusätzlichen Auslandspraktika gegeben und es werden neben einem erweiterten Fremdsprachenangebot auch verschiedene Sprachzertifikate angeboten. Daneben werden Europa-Themen auch regelmäßig im Unterricht thematisiert und an jährlichen Europatagen bearbeitet und präsentiert.

Dass auch die internationalen Unterrichtsprojekte in den Klassen des Wirtschaftsgymnasiums in bewährter Form fortgesetzt werden können, dafür sorgte die zweiten gute Nachricht: Das Erich-Gutenberg-Berufskolleg ist erstmals Koordinator einer Erasmus-Schulpartnerschaft zu einem geschichtlichen Thema. Zusammen mit Schulen aus Frankreich, Kroatien, Rumänien und Portugal wird im Projekt "Rekonstruktion persönlicher Schicksale im Ersten Weltkrieg" das Schicksal von Teilnehmern am Ersten Weltkrieg erforscht.

Zum Projekt:

Die Europäische Union hat in Zentraleuropa für 70 Jahre den Frieden gesichert. Selbst in Regionen, in denen noch vor wenigen Jahrzehnten Krieg, Diktaturen und Bürgerkrieg herrschten, hat sie zu einer Lösung der gewalttätigen Konflikte beigetragen. Nun ist aber das einzigartige Friedensprojekt „EU“ in Gefahr geraten.Der Europäische Gedanke droht in Vergessenheit zu geraten, das Glück wird wieder im Nationalstaat gesucht. Indem man aber wieder sein Heil im Nationalstaat sucht, grenzt man sich von seinen europäischen Nachbarn ab, schafft nationale Identität in der Abgrenzung vom Anderen, aus europäischen Partnern drohen wieder außenpolitische Gegner zu werden.

Ein Blick in die Vergangenheit reicht dabei aus, um die unheilvollen Folgen nationalistischen Denkens aufzuzeigen. Der Erste Weltkrieg gilt als die „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“ (George F. Kennan). Aus nationalistischer Hybris entstand Misstrauen, ja Feindschaft, gegenüber den europäischen Nachbarn, Bündnisse wurden geschmiedet, eine Spirale der Aufrüstung entstand. Schließlich ein Funken, um die Katastrophe auszulösen. Auch damals glaubten die Menschen nicht wirklich an einen neuen Krieg, unterhielt man doch intensive Handelsbeziehungen, reiste die Oberschicht zum Urlaub ins europäische Nachbarland und schickte ihre Söhne ins Ausland auf die Universität, sahen sich viele Arbeiter im „internationalen Sozialismus“ vereint. Der Krieg brach aber dennoch aus und forderte über 17 Millionen Todesopfer.

Aus diesem Grund haben sich die teilnehmenden Schulen für dieses Projekt entschieden. Es soll 16- bis 18- jährigen Schülerinnen und Schülern aus den  EU-Mitgliedstaaten Deutschland, Frankreich, Kroatien, Portugal und Rumänien, die alle in den Ersten Weltkrieg verwickelt waren (bzw. ihre Vorgängerstaaten),  vor Augen führen, wie die damaligen Gesellschaften, beteiligte Soldaten und ihre Angehörigen unter dem Krieg litten, aber wie sie auch ihre Kriegsgegner sahen und wie möglicherweise propagandistische Zerrbilder ihre Wahrnehmung beeinflussten.

Im Blickpunkt stehen individuelle Schicksale aus den Heimatorten bzw. –regionen der einzelnen Länder. Denkmäler für die Gefallenen finden sich in zahlreichen Orten der damals in den Krieg verwickelten Länder. In der Regel enthalten sie genauere Daten zu den einzelnen Personen, die es ermöglichen, vor Ort auf Spurensuche in Archiven, Bibliotheken und Museen zu gehen, um an weitere Informationen zu gelangen. Möglicherweise werden auch in den Familien der Schülerinnen und Schüler Erinnerungen tradiert, persönliche Erinnerungsstücke wie Photos, Briefe etc. aufbewahrt.

Anhand ihrer Funde sollen die Schülerinnen und Schüler einzelne Schicksale filmisch dokumentieren (das Smartphone bietet hier gute Möglichkeiten), z. B. durch das Nachspielen historischer Szenen, durch das Vorlesen von Briefen und Zeitungsmeldungen, durch Aufnahmen auf Soldatenfriedhöfen, Am Ende sollen zum das jeweilige Land betreffende filmische Dokumentationen des Schicksals historischer Personen aus lokalen und regionalen Umfeld entstehen, die einen Einblick in das Denken, Fühlen und Handeln der Soldaten und ihrer Angehörigen ermöglichen; die einzelnen filmischen Beiträge der Projektpartner sollen schließlich zu einer internationalen Dokumentation verbunden werden, die durch einführende Erläuterungen, Eindrücken vom Arbeitsprozess und den einzelnen internationalen Treffen ergänzt wird. Weitere Projektergebnisse sollen Ausstellungen zu den Projektergebnissen, Broschüren zu Rundgängen zu Erinnerungsorten an den Ersten Weltkrieg vor Ort, Debatten über Konfliktlösung und Friedenssicherung usw. sein.

Die Ergebnisse der Projektarbeiten können sodann über soziale Netzwerke, erasmusinterne Ergebnis- und Rechercheplattformen  etc. veröffentlicht werden; evtl. bietet sich auch eine in schriftlicher Form veröffentlichte Projektbeschreibung an. Ein in regelmäßigen Abständen stattfindender Austausch der Schülerinnen und Schüler über die während der einzelnen Arbeitsprozesse gewonnenen Erfahrungen kann über die Plattform e-twinning stattfinden; dieser fördert auch das Kennenlernen der Teilnehmer untereinander, wodurch die gemeinsame Arbeit während der internationalen Meetings erleichtert wird und im Idealfall über die Projektzeit hinausgehende Kontakte entstehen.

Während der Projektarbeit sollen die Schülerinnen und Schüler nicht nur einen inhaltlichen, sondern auch einen methodischen Lernzuwachs erreichen: in der Nutzung von Datenbanken zum Ersten Weltkrieg, Arbeit in Archiven, im Debattieren  und schließlich auch im Aufnehmen und Bearbeiten von Filmmaterial, um ein gemeinsames Produkt zu erschaffen.

Während aller Treffen sollen selbstverständlich auch außerschulische Lernorte zum Ersten Weltkrieg aufgesucht werden, an denen die Schülerinnen und Schülern gemeinsam zum Thema entdecken und forschen können. Im Focus steht dabei jeweils das entsprechende Teilnehmerland, so dass die SuS auch der Erste Weltkrieg aus unterschiedlichen Perspektiven vermittelt wird und sie so lernen, dass dieser Krieg bei allem gemeinsamen Leid auch verschieden erfahren wurde und für die Nachwelt eine unterschiedliche Bedeutung hat. Wie schon erwähnt, sollte hier auch die damalige propagandistische Darstellung des „Feindes“ thematisiert werden und hinterfragt werden, ob nationalistische Klischees auch heute wieder von populistischen Politikern missbraucht werden können.

Die Europäische Union war keine Antwort auf den Ersten Weltkrieg. Der Erste Weltkrieg verstärkte nur noch den Nationalismus in Europa. Sie wurde nach den Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges gegründet und verfolgte zunächst vorrangig wirtschaftliche Ziele. Die EU als  starke Institution ist eine Garantie dafür, dass auch weiterhin Frieden in Europa herrscht und ein Rückfall in den Nationalismus vermieden werden kann. Gerade das Erforschen des Ersten Weltkrieges kann Schülerinnen und Schüler für die aus dem Nationalismus resultierenden Gefahren sensibilisieren und sie den Wert der Europäischen Union erkennen lassen. Diesen Lerneffekt wollen die teilnehmenden Schulen mit diesem Projekt erreichen.

 

 

 

Christian Jacquemot, Stefan Kröger, Ortrud Gieselmann, Schulleiterin Afra Gongoll, Torsten Klingenberg und die Schülerinnen und Schüler des Wirtschaftsgymnasiums freuen sich auf neue Europaaktivitäten

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